Verstößt das Landespressegesetz Baden-Württemberg gegen EU-Recht?

Liegt ein Verstoß gegen die Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen nach Landespressegesetz gegen EU-Recht vor?

BildDer Europäische Gerichtshof (EuGH) wird in Kürze die Frage beantworten, ob § 10 des baden-württembergischen Landespressegesetzes gegen die EU-Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken vom 11. Mai 2005 (2005/29/EG) verstößt, die in Deutschland seit dem 12. Dezember 2007 als unmittelbar anwendbares Recht gilt.

Das Votum des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof Melchior Wathelet, einer der acht Generalanwälte am EuGH, kommt in seinem Schlussantrag vom 11. Juli 2013 (Aktenzeichen C-391/12) zu dem Ergebnis, dass § 10 Landespressegesetz strenger sei als die EU-Richtlinie, die keine wortwörtliche Kennzeichnung als „Anzeige“ verlange. Die EU-Richtlinie untersage den Mitgliedsstaaten jedoch das Ergreifen strengerer Maßnahmen und lasse diese sogar aus Verbraucherschutzgründen nicht zu.

Die Generalanwälte am EuGH, die die Entscheidungsfindung des Gerichtshofes unparteiisch unterstützen, erstellen nach der mündlichen Vorhandlung einen Schlussantrag, der als Urteilsvorschlag dient. In der überwiegenden Zahl der Fälle folgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Voten der Generalanwälte.

Der mögliche Widerspruch zwischen dem Landespressegesetz Baden-Württemberg und dem EU-Recht § 10 des baden-württembergischen „Gesetzes über die Presse“ enthält die Bestimmung, dass Verleger periodischer Druckwerke und Verantwortliche im Sinne des Presserechts ein Inserat „deutlich mit dem Wort ,Anzeige‘ zu bezeichnen“ haben, wenn sie für die „Veröffentlichung ein Entgelt erhalten“ haben. Im Sinne des § 4 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) stellt § 10 Landespressegesetz eine Schutzvorschrift gegen unlautere geschäftliche Handlungen dar, die „im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten“ regelt. Dem § 10 Landespressegesetz Baden-Württemberg entsprechende Regelungen finden sich auch in den Pressegesetzen vieler anderer Bundesländer.

Gemäß Artikel 4 der EU-Richtlinie gegen unlauteren Wettbewerb dürfen die Mitgliedsstaaten „den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr“ nicht aus Gründen einschränken, die mit dem Schutz vor unlauterem Wettbewerb zusammenhängen. Eine Einführung schärferer nationaler Regelungen ist den EU-Mitgliedsstaaten damit untersagt.

Die dem Verfahren vor dem EuGH zugrunde liegende rechtliche Auseinandersetzung
Angestoßen wurde das Verfahren vor dem EuGH durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Im Anzeigenblatt „GOOD NEWS“ der RLvS Verlagsgesellschaft mbH waren im Juni 2009 zwei redaktionelle Beiträge zu den Themen „VfB VIP-Geflüster“ und „Wohin Stuttgarter verreisen – Heute: Leipzig“ erschienen, die unter grafischer Hervorhebung der Sponsoren (Fa. Scharr und Germanwings) jeweils mit dem Zusatz „sponsored by“, aber nicht mit dem Zusatz „Anzeige“ versehen waren.

Der Mitbewerber „Stuttgarter Wochenblatt“ vertrat hingegen die Auffassung, dass wegen Entgeltlichkeit der Veröffentlichung beide Artikel gemäß § 10 Landespressegesetz mit dem Wort „Anzeige“ hätten gekennzeichnet werden müssen. In erster und zweiter Instanz waren das Landgericht und das Oberlandesgericht Stuttgart der Auffassung des klagenden „Stuttgarter Wochenblattes“ gefolgt und hatten eine Kennzeichnungspflicht festgestellt.

Der Bundesgerichtshof hingegen war sich nicht sicher, ob die in § 10 Landespressegesetz enthaltene, strikt auf das Wort „Anzeige“ bezogene Regelung nicht möglicherweise gegen Artikel 7 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 4 und Artikel 3 Absatz 5 der EU-Richtlinie verstoße. Artikel 7 Absatz 2 der EU-Richtlinie benennt als Merkmal einer irreführenden Unterlassung im Wettbewerb eine verheimlichende, unklare oder zweideutige Vorgehensweise. Entscheidend ist nach dieser Vorschrift, ob ein durchschnittlicher Verbraucher aufgrund gegebener Informationen in die Irre geführt werden könnte, nicht aber die Verwendung eines bestimmten Wortes wie z. B. „Anzeige“. Auch in Anhang 1 der EU-Richtlinie werden unter Ziffer 11 nur solche der Verkaufsförderung dienenden redaktionellen Inhalte als unlauter bezeichnet, für die ein Gewerbetreibender bezahlt hat, ohne dass ein Verbraucher dies klar erkennen kann. Andererseits werden nationalstaatliche Rechtsverschärfungen durch Artikel 4 grundsätzlich ausgeschlossen. In Artikel 5 Absatz 3 wird die Beibehaltung härterer nationaler Regelungen sogar ausdrücklich nur für einen Übergangszeitraum zugelassen.

Die redaktionellen Artikel, so der BGH, wiesen zwar nicht das Wort „Anzeige“ auf, seien aber als gesponsorte Veröffentlichungen durchaus deutlich erkennbar gewesen und befänden sich damit möglicherweise in Einklang mit dem europäischen Wettbewerbsrecht. Der Bundesgerichtshof setzte daher das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus und stellte am 22. August 2012 ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH.

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